Radfahrer und Autofahrer streiten in Berlin um Straßenraum
MARY LOUISE KELLY, Moderatorin:
Der neue konservative Bürgermeister der deutschen Hauptstadt wurde für das Versprechen gewählt, sich für Autofahrer einzusetzen, die sich darüber ärgern, dass Radfahrer Platz auf der Straße beanspruchen. Er sagt, er möchte nicht, dass Radwege Autos verlangsamen. Doch wie Esme Nicholson berichtet, gehen Radfahrer genau dafür auf die Straße.
(SOUNDBITE DER FAHRRADGLOCKEN KLINGELN)
ESME NICHOLSON, BYLINE: Als das Rathaus im vergangenen Monat den Bau von 19 neuen Radwegen in Berlin einstellte, protestierten Radfahrer nicht nur mit der Besetzung aller Fahrspuren, sondern leiteten auch rechtliche Schritte ein. Dies funktionierte, und die Stadtverwaltung machte einen Rückzieher bei ihren Plänen. Aber die Ankündigung brachte Autobesitzer und Radfahrer gegeneinander, und die Botschaft hat nicht geholfen.
MANJA SCHREINER: (durch Dolmetscherin) Ich habe nie gesagt, dass wir Radwege streichen würden, die Parkplätze gefährden. Das kam von einem meiner Mitarbeiter ohne meine Genehmigung.
NICHOLSON: Manja Schreiner ist die neue Verkehrsministerin der Stadt. Sie sagt, Sicherheit sei der Schlüssel und die Stadt brauche definitiv mehr Radwege, aber die gerechte Aufteilung der Straßen in der Stadt habe oberste Priorität.
SCHREINER: (durch Dolmetscher) Wir wollen so viele Parkplätze wie möglich behalten. Versetzen Sie sich in die Lage von jemandem, der wegen eines Radwegs nicht mehr vor der Haustür parken kann.
NICHOLSON: Inga Karrer ist genau in dieser Position. Sie lebt in Kreuzberg, wo die von den Grünen geführten Bezirksbehörden das Rathaus ignorieren und Parkplätze streichen.
INGA KARRER: (durch Dolmetscherin) Was mich an dieser Behauptung am meisten nervt, ist, dass es leicht ist, eine Alternative zu finden, und dass ich mein Auto in einem nahegelegenen Hochhaus parken kann. Das ist reine Fiktion.
(KLANG DER SPITZHACKE)
NICHOLSON: Kaha sagt, dass sie abends bereits eine halbe Stunde braucht, um einen Parkplatz zu finden, und sie sieht ungläubig zu, wie Bauarbeiter mit Spitzhacken Kopfsteinpflaster entfernen.
MATTHIAS HESKAMP: Sie entfernen den Asphalt und die Parkplätze werden in Grünflächen umgewandelt.
KELLY: Der Architekt Matthias Heskamp arbeitet gemeinsam mit dem Bezirksrat daran, die umliegenden Straßen von Autos zu befreien, obwohl er sagt, dass es weiterhin Parkplätze für diejenigen geben wird, die sich auf andere Weise nicht fortbewegen können.
HESKAMP: Diese Parkplätze und die Diskussion über die Leute, die sie nur aus Komfortgründen nutzen – das steht in Frage.
NICHOLSON: Eine andere Anwohnerin, Sabine Deckwerth, begrüßt die Entscheidung und sagt, sie freue sich darauf, zu sehen, wie aus den Parkplätzen Gärten und Gemüsebeete werden. Sie hat ihr Auto vor fünf Jahren abgeschafft.
SABINE DECKWERTH: (durch Dolmetscherin) Der öffentliche Nahverkehr im Zentrum Berlins ist so gut, dass die meisten Leute eigentlich kein Auto brauchen.
NICHOLSON: Deckvert fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit, aber nur, weil sie durch Parks schneiden kann. Sie sagt, zu viele der bestehenden Radwege in Berlin seien in schlechtem Zustand, würden plötzlich verschwinden oder durch parkende Fahrzeuge blockiert werden. Anja Umann stimmt zu.
ANJA UMANN: (durch Dolmetscherin) Ich halte beim Radfahren ständig den Atem an, weil ich weiß, dass man viel Glück braucht, um einen Unfall zu vermeiden.
NICHOLSON: Umanns Zwillingsschwester Sandra hatte letztes Jahr kein Glück. Sie fuhr mit dem Fahrrad zur Arbeit, als sie beim Rechtsabbiegen von einem Betonmischer erfasst wurde. Sandra wurde von den Rädern des Lastwagens 20 Meter weit mitgeschleift, bevor der Fahrer zum Stehen kam. Sie starb später im Krankenhaus. Uman ist mehr als ein halbes Jahr nach dem Tod ihrer Schwester endlich wieder auf ihrem eigenen Fahrrad. Sie sagt, dass das aktuelle Narrativ „Autos statt Fahrräder“ in der Stadtpolitik und den lokalen Medien nichts zur Verbesserung der Straßenverhältnisse beiträgt.
UMANN: (durch Dolmetscher) Verkehrsteilnehmer in Berlin sind aggressiv. Sowohl Autofahrer als auch Radfahrer gehen zunehmend kontrovers auf die Straße. Warum achten wir nicht aufeinander?
NICHT IDENTIFIZIERTES KIND: (spricht Deutsch).
NICHOLSON: Zurück in Kreuzberg müssen Autobesitzer, die es geschafft haben, einen der schnell knappen Parkplätze zu finden, diese Straße einmal pro Woche verlassen, damit Kindergartenkinder sie übernehmen können. Es ist ein Vorgeschmack auf ein Stadtzentrum ohne Autos, und Eltern sehen zu, wie Kinder auf Laufrädern, Rollern und Spielzeugautos aneinander vorbeifahren und früh defensives Fahren lernen. Für NPR News bin ich Esme Nicholson in Berlin. Transkript bereitgestellt von NPR, Copyright NPR.
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